GIPFEL DER SEHNSUCHT ODER: ULLA´S TRAUM. Unaufgeregt und immer dem Weg und den Guides folgend, steigt Ulla beharrlich Höhenmeter für Höhenmeter dem großen Berg, der solitär und mythenbehaftet über der Savanne thront, entgegen. Die „Best Ager“ unter Ihnen werden sich vielleicht noch gut erinnern, wie der Herr Professor mit der markanten und einschläfernd wirkenden Stimme seine Zuschauer mit: „Guten Abend, meine lieben Freunde“ begrüßte. Er saß vor laufender Kamera nonchalant an einem Tisch und mit dabei war meistens ein possierliches Tierchen aus seinem Zoo in Frankfurt, welches mal vor, mal neben ihm oder an ihm hinauf krabbelte. Das exotische Lebewesen war dabei mehr oder weniger angepasst und oft sah der Zuschauer dann den Arm eines beherzten Helfers, der flink den Störenfried entfernte, wenn es den Herrn Professor bei seinen bedächtigen Ausführungen über die Tierwelt Afrikas nervte. Als Kind durfte ich nur eine Sendung nach der Tagesschau sehen und das war: Bernhard Grzimeks „Ein Platz für Tiere“, in der er die große Welt der Serengeti, Wüsten und Urwälder erklärte – alles noch ohne dramatische Schnitte und in Schwarzweiß. Meine erste Begegnung mit Afrika. Vielleicht auch Ulla´s? Es folgte für mich der Film „Hatari“ mit Hardy Krüger, welcher 1973 im „Ersten“ ausgestrahlt wurde und tags darauf begrüßte man sich in der Schule mit „Jambo“ und über den Freundeskreis schwappte die große Welle einer Helden- und Abenteurereuphorie. Hatari ist Swahili und bedeutet im Deutschen Gefahr und dieser wollten wir selbstverständlich und unerschrocken ins Antlitz blicken. Jambo ist die authentische Begrüßung in Ostafrika und so auch in Tansania üblich, wie mir erst viele Jahr später klar wurde. Afrika rückte wieder ein Stückchen näher. Auch für Ulla? Der Fiebertraum führte den sterbenden Harry in die Nähe des weißen Gipfels, seinem Sehnsuchtsort, dem Kilimanjaro, wo er das Gerippe eines Leoparden entdeckt, der sich hier einst im Schnee verlief und erfror. Was wollte das Tier in dieser Höhe und was sucht der Mensch da oben? – fragte er sich während der Fieberschübe. Harrys Fieberillusion endet dramatisch mit seinem Tod im Safarizelt, zu Füssen des höchsten Berges des Afrikanischen Kontinents und in den Armen seiner Frau Helen. Ernest Hemingway, der übrigens nie auf dem Gipfel des Kibo war, hat dem Berg mit der Kurzgeschichte „Schnee auf dem Kilimanjaro“ sicherlich zu noch mehr Ruhm verholfen. Was hat Ulla inspiriert? Man kann es nur vermuten. Ruhig, handelnd statt zu lamentieren und weiterhin dem „Pole, Pole!“, der dringenden Empfehlung der afrikanischen Guides folgend, langsam zu gehen, setzt sie Ihren Weg zu ihrem Gipfel auch in dieser Vollmondnacht unverdrossen fort und steht am 6. September am frühen Morgen am Ziel ihrer Träume. Karibu! Willkommen am höchsten Punkt des Afrikanischen Kontinents. Die Sonne leuchtet orangerot über der Tiefebene Kenias und des Ambroseli Nationalparks. Am Mweka Gate, wo wir den Nationalpark zwei Tage nach der Kibobesteigung verlassen, trägt Ulla´s Freundin in das große, dort ausliegende Gipfelbuch ein: „Ulla´s Traum ist in Erfüllung gegangen.“ Lebe nach der Philosophie „Hakuna Matata“, dann bleiben dir die Sorgen immer fern – so wie Timon das Erdmännchen und Pumbaa das Warzenschwein singend diesen Rat an Simba den Junglöwen in „König der Löwen“ weitergeben. Das könnte auch für jeden Gipfelaspiranten gelten.
Peter Christmann